100 Jahre Evangelische Frauen:hilfe

1921-2021

Vor 100 Jahren, am 28.8.1921, wurde die Ev. Frauenhilfe gegründet.
Genau genommen der Ev. Frauenverein. Ab 1933 hieß er Ev. Frauenhilfe. Und seit 2016 Ev. Frauen.

Analog kann man seine Geschichte in 4 Phasen einteilen:
1921-1933, 1933-1945, 1948-1976, 1976-heute.

1921-1933 (Gründung in Unruhezeiten)

Während des 1. Weltkrieges hatte sich bereits ein Wandel abgezeichnet: Da die meisten Männer im Feld, auf den Kriegsschauplätzen gebunden waren oder an den Kriegshandlungen gestorben, verharmlosend „gefallen“ waren, fiel Frauen in fast allen Bereichen des zivilen und halbmilitärischen Lebens eine tragende und verantwortliche Rolle zu. Sie mussten die Bauernhöfe allein führen, Familien vorstehen, massenhaft in kriegswichtigen Industrien Arbeiten verrichten, die zuvor Männerarbeit gewesen waren.

So verwundert es nicht, dass Frauen auch nach dem Krieg ihre Rolle in der Gesellschaft suchten. Unter anderem fanden sie sie in Vereinen und Vereinigungen. Man könnte sagen, dass so die Frauen(rechts)bewegung auch in den Dörfern und kleinen Städten angekommen war.

In Reinheim gründete Pfarrer Ludwig Hein (1911 – 1926) im Sommer 1921, 28.8., den Evangelischen Frauenverein. Er hatte sofort viel Zuspruch. Schon zur Zeit der Gründung bestand er aus 338 Mitgliedern 1. Schon nach ½ Jahr gab es die 4. Hauptversammlung. Man ahnt, dass da viel Engagement und großer Hunger nach Gemeinschaft, Solidarität und gemeinsamem Tun vorhanden war.
 Sucht man nach einem Grund für die Gründung des Evangelischen Frauenvereins, dann gibt der das Thema des Sommervortrags im Jahr 1922 einen Hinweis:
„Die evangelische Gemeinde und die Frau“. Auch die Kirche hatte nun die Frauen entdeckt.

Im Heimatboten von 1921 steht:

11.09.1921
"Reinheim.  Der Vorstand des ev. Frauenvereins setzt sich aus folgenden Frauen zusammen: Frau Pfr. Hein, Frau A. Bender, geb. Kaiser, Frau Lehrer Versch, Frau K. Delp, geb. Keller, Frau E. Kopp geb. Heß, Frau K. Städter geb. Jockel, Frau H. Stühlinger geb. Schmidt*. Die Kassenverwaltung übernahm Frau Delp, die Schriftführung Frau Städter. Der monatliche Beitrag, der durch die Mädchen des Mädchenvereins erhoben wird, beträgt 50 Pfg., doch wird, je nach Vermögen, auch höherer Beitrag erhofft. Am Sonntag, dem 4. des Monats, wurde die Hauptversammlung des 28. vorigen Monats für solche, die an diesem Tage verhindert waren, wiederholt. Sie war noch einmal von 83 Mitgliedern besucht. Der Verein besteht jetzt aus 338. Wenn alle die Ziele des Vereins mit Ernst erstreben, kann viel zum Besten unserer Kirchengemeinde erreicht werden.“

(* Henriette S. = Mutter von Dekan Stühlinger und Oma von Fr. Ruppel; „Geschirr-Stühlinger“)

11.06.1922

„Reinheim. Unser Evangelischer Frauenverein hält Sonntag, den 11.M., nachm. 4 Uhr, in der Kirche seine 4. Hauptversammlung. Der dafür gewonnene Redner, Pfarrer Maas aus Ober-Ramstadt, wird das wichtige Thema behandeln: „Die evangelische Gemeinde und die Frau“.

Gleich zu Beginn legte Pfarrer Ludwig Hein den Vorsitz des Vereins in die Hände seiner Frau Marie, „Frau Pfarrer Hein“ (1869 – 1953). Pfr. Hein starb 1926, aber seine Frau leitete den Verein noch lange weiter, auch während der Amtszeit von Pfr. Meisinger (1926-1947). Kantate 1938 wurde sie verabschiedet (lt. Protokollbuch). Ihr folgte Marie Meisinger (1884-1968). Ab Nov 1938 stand ihr Name noch vor dem von Marie Hein an erster Stelle im Anwesenheitsheft; Marie Meisinger blieb die Vorsitzende bis 1948. (Sie starb 1968 in Reinheim und wohnte die längste Zeit davon im Pfarrhaus, in einer sep. Wohnung).

Manche Nachweise verlieren sich ab 1941, weil der Heimatbote nicht mehr erschien. Vermutlich hat sich der Frauenverein 1933 umbenannt in Ev. Frauenhilfe.

Was machte der Frauenverein? Beispiel 1929 (Heimatbote)

Im Winterhalbjahr traf man sich ein- bis 4x im Monat. Im Sommerhalbjahr fielen die regelmäßigen Treffen aus. Dafür gab es Ausflüge mit Bus und Bahn oder besuchten Verbandstagungen.

Heimatbote 1929-30:
Sitzungen des FV sollen sein am Mi 16.Januar 1929, 20. Febr., 6. Und 20. März (Generalversammlung); Kaffeeabend am 6. Februar 1926. 16. Jan: mit Vortrag von Pfarrer Schneider, Direktor der Nd.-Ramstädter Anstalten.
„Es wurde in der Sitzung darüber geklagt, dass so manche Mitglieder gar nicht oder selten zu den Sitzungen kämen…. Immer dieselben die an dem Verein ihr reges Interesse zeigten.“

Frauenvereinsabend Anfang Juni: 32 Frauen

Vereinsausflug nach Heidelberg und Eberbach am 9. Juni 1929: 44 Frauen aus Reinheim, 35 aus Ueberau, dazu 3 Männer

„Wie anderswo, so hat sich schon vor einiger Zeit auch in unserem Frauenverein eine Hausfrauenabteilung gebildet. Vorsitzende ist Frau Eckstein.

14.7.1929 „Immer wieder müssen unsere jungen Frauen auf den Verein hingewiesen werden müssen.“

3.9.1929. „Die evangelischen Frauenvereine unseres Kreises hielten am 31. August eine Kreisverbandstagung in Groß-Umstadt bei zahlreicher Beteiligung. Unser Verein war durch 11 Mitglieder vertreten.“

„4. September […] Überreichung eines kleines Ehrengeschenks an die Vorsitzende , Frau Pfarrer Hein, die einige Tage zuvor ihren 60. Geburtstag…“

15. Dezember 1929 „Der heutige Abend des FV versammelten über 60 Frauen. Der Vorstand hatte den Abend vorbereitet, das Programm entworfen, die Tische weiß gedeckt, mit kleinen Kerzen und Tannenzweigen geschmückt. An diesen hingen bunten Weihnachtskartensterne mit Sprüchen. An den Vorträgen von Gedichten und Adventsworten beteiligten sich einige Frauen, Der Pfarrer hielt eine Ansprache. Der junge Geiger Georg Sch. Spielte einige Sachen, wobei ihn seine Lehrerin auf dem Klavier begleitete. Allgemeinen Beifall fanden die neue Altardecke, wovon der Teil mit dem gestickten Kreuz vorgezeigt wurde, und das Kanzelantependium.“

1933-1945

Wie die meisten Deutschen glaubten viele evangelische Frauen zu Beginn des Jahres 1933 an die Ziele der Nationalsozialisten. Ein Jahr später, im sogenannten Kirchenkampf, stellten sich die Verbände der Frauenhilfe auf die Seite der Bekennenden Kirche, ohne sich ihr organisatorisch zu unterstellen. Beiden Verbänden gelang es, ihre Selbstständigkeit trotz zahlreicher Übernahmeversuche von Kirchen- und Staatsbehörden bis zum Ende des NS-Staates zu bewahren.

Zuerst glaubten die Frauen, auch unter dem Regime der Nazis weiterhin sozial-diakonisch tätig sein zu können. Doch es dauerte nicht lange, bis Repressalien gegen Frauenhilfsgruppen in den Gemeinden zunahmen: Gruppentreffen wurden behindert, etliche Pflegestationen mussten an die nationalsozialistische Volkswohlfahrt übergeben werden und ab 1941 sämtliche Kindergärten. (Quelle: https://www.ekhn.de/ueber-uns/geschichte/geschichte-der-evangelischen-frauenhilfe.html)

Der Heimatbote notiert am 5. Dez 1934: Adventsfeier mit Pfr. Meisinger und Fr. Pfarrer Hein

In einem Bericht von einer Sitzung heißt es: „mit einem „Heil“ auf unseren Führer ging man auseinander.“ Es ist die einzige Belegstelle für solches „Heil“.

13. März 1935 Generalversammlung, 40-50 Mitglieder, Vorsitzende Hein. Zwangszusammenarbeit mit NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt)

22.12.1935  Gemeinsamer Kaffeetisch der Frauenhilfe und der NS-Frauenschaft für die Alten der Gemeinde, Leitung Frau Pfarrer Hein

3.2.1937 Kaffeenachmittag und Generalversammlung, Fr. Pfr. Hein

2. Advent 1937 Adventsfeier der Frauenhilfe. Pfr. Meisinger, Frau Hein, Herr Wörtche bedauert, dass an den Frauenhilfeabenden noch leere Stühle seien…

11.5.1938 Maiausflug der Frauenhilfe in den Spessart. 77 Pers

? nach 1937 Flugblatt: „Die Frauenhilfe in der Entscheidung der Kirche“

Do 21. Jan 1939, 20 Uhr Frauenhilfe

9.2.1939 Frauenhilfe mit Vortrag von Fr. Dr. Schmitt-Söder: „Gegenwartsaufgabe der Frauenhilfe“

16. und 17.2.1939 Kaffeeabend der Frauenhilfe mit 190 Personen: Bibelbesprechung mit Fr. Drewes, Vikarin des Hess. Verbandes

27.4., 4.5., 18.5. keine Frauenhilfe

11.5.1939 Ausflug der Frauenhilfe nach MZ – Ingelheim – Bingen – Niederwald-Denkmal – Bad Schwalbach. 3 Busse, 95 Personen

An Christi Himmelfahrt 1939: Muttertag

LÜCKE: kein HEIMATBOTE

7. Juli 1940 HEIMATBOTE wieder da. Ab da auch mit veröffentlicht: FRAUENECKE der
Ev. Reichsfrauenhilfe in Hessen, Darmstadt, verantw. Hilde Zöller

So 7.7.1940, 20:30 Uhr Frauenhilfe

Erklärender Text „Aus der Gemeinde“: Die Frauenhilfe trifft sich im Winter jede Woche, im Sommer am 1. Sonntag jeden Monats

So 1. Sept. 1940: Frauenhilfe. Abschiedsfeier für Schwester Lina Hahn

Oktober 1940 Frauenhilfe. 23 Frauen („Es sind die Treuesten der Treuen, die unter den heutigen erschwerten Verhältnissen kommen“).

20.10.1940  Frauenhilfe-Treffen in Groß-Umstadt: Fr. Zöller, Die 10 Gebote im Mutterleben

Samstag nach dem Reformationsfest 1940: Frauenhilfe begrüßt Schwester Helene Mayer (am 13.10. wurde sie im Gottesdienst begrüßt: Kleinkinderschulschwester)

Von nun an jeden Mittwoch Versammlung (bis kurz vor Ostern 1941 wird eingeladen; ab Ostern jeder 1. Sonntag im Monat

Für den 11.5.1941 wird zur Jahresversammlung der Frauenhilfe für Starkenburg in Darmstadt in der Darmstädter Johanniskirche um 14:30 Uhr eingeladen.

 

1948 bis heute

Nach dem Krieg regte am 22.5.1948 Pfr. Dr. Walter Hotz die Fortsetzung der Arbeit der Frauenhilfe an. Seine Frau Anneliese leitete den Verein bis zu Hotz‘ Pensionierung 1976. Es gab regelmäßige Treffen, eigene Theateraufführungen und später auch den Adventsbasar (seit 1975). Besonders hervorzuheben ist der Einsatz der Frauenhilfe in der Betreuung des Friederikenstiftes in Bernburg und der Patengemeinde Siersleben. Für unsere Kirche stiftete sie 1971, nach der Kirchenrenovierung, eine neue Altarbibel.

Da unverheiratet, übernahm 1976 Pfarrer Gerhard Siegert anschließend selbst die Leitung der rührigen Gruppe. Regelmäßige Gruppenstunden, Ausflüge, Basar blieben auf dem Programm. Bei vielen Festen der Gemeinde war auf die FRAUENHILFE Verlass als Helfergruppe für Küche und Servie und Aufbau und Abbau.

In den 80er Jahren gründete und leitete Frau Dragässer, Ehefrau von Pfr. Udo Dragässer den „Kreis jüngerer Frauen“, Konkurrenz oder Ergänzung zur etablierten Frauenhilfe. Nach ihrem Weggang übernahm Frau Renkel die Leitung. Auch Ilse Lange, später Frau Grede (seit 1984) und Elli Zwara (Rechnerin) waren wichtige Personen in diesem Kreis.
Seit 2016 nennt sich die Frauenhilfe “Evangelische Frauen Reinheim", und sie unterscheiden nicht mehr zwischen den Kreisen.

Nach dem Ausscheiden von Pfr. Siegert aus dem Dienst und nach seinem Tod 2016 formierte sich die Ev. Frauenhilfe neu. Im Frühjahr 2017 gab es Neuwahlen. Jutta Schuchmann leitet seither die Ev. Frauen, unterstützt von Ingrid Kunz, Katharina Göttmann, Gretel Bischoff im Vorstand. In diesem Jahr schied Gretel Bischof aus dem Vorstand aus.

Die Ev. Frauen treffen sich alle 14 Tage zu wechselnden Themen und Projekten.

Die Ev. Frauen sind über den Landesverband Hessen/Nassau als Eingetragener Verein organisiert. Heute zählt unser Ortsverein 90 Mitglieder. Oft gibt eine Familien-Generation die Mitgliedschaft an die nächste weiter. Wir sind stolz, dass es in unserer Gemeinde so starke Bindungen gibt. Erfreulich ist besonders, dass sich in den letzten Jahren wieder einige jüngere Frauen unserer Gemeinschaft angeschlossen haben. Als fester Bestandteil ehrenamtlichen Engagements unterstützen die Ev. Frauen weiterhin Aktivitäten wie den Adventsbasar, das Frauenfrühstück, den ökumenischen Weltgebetstag, den Frauengottesdienst im Dezember, den Besuchsdienst u.v.m.

Jutta Schuchmann | H.G. Treblin

Quelen: Heimatbote, Gemeindebrief der Ev. Kirchengemeinde Reinheim, mündliche Quellen: Fr. Schuchmann, Frau Vogel 

  • 1925 hatte die Stadt 2361 Einwohner, davon 2173 evang. (Stadt Reinheim - Tor zum Odenwald, S. 69

Der Frauenverein / die Frauenhilfe / Ev. Frauen stifteten im Laufe der Jahre:

  1. Das rote Antependium, erworben Sept. 1955, Paramentenwerkstatt E-Stift, DA, gespendet von Ev. FRAUENHILFE u.a.
  2. Weiß - Antependium, Weihnachten 1954, Ev. Frauenhilfe
  3. Grüne Altarbekleidung 1929 – Ernst Riegel, gespendet vom Ev. Frauenverein
  4. Grüne Altartischdecke 1929 – Ernst Riegel
  5. Grüne Kanzelpultdecke 1929 (98x69,5 cm, Abschluß Seidenborde u. Goldfransen) – Ernst Riegel
  6. Die Altarbibel für die Dreifaltigkeitskirche 1972
  7. Die Altarbibel für das Martin-Luther-Haus 1976

Und bestimmt noch weitere Dinge.

(1) Hotz, Heimatbote, Weihnachten 1954